Nachhaltigkeit ist eine Sackgasse, Regeneration ist die Zukunft

Ein Beitrag von Aaron Bolte
6. Juli 2023

Nachhaltigkeit bedeutet ursprünglich, aus einem bewirtschafteten Forst nicht mehr Holz zu entnehmen als von selbst wieder nachwachsen kann. Dieser Grundsatz ist gut und richtig und sollte auf so ziemlich alles in Natur und Wirtschaft übertragen werden. Doch wie passend und zielführend ist der Begriff der Nachhaltigkeit noch in einer Zeit, in der bereits über Jahrzehnte oder Jahrhunderte ohne Hemmungen und ohne Ausgleich entnommen wurde? 

Nachhaltig zu handeln heißt, ein System ab jetzt auf seinem aktuellen Gesundheitsniveau stabil zu halten. Nun ist aber bereits so viel entnommen, degeneriert und denaturiert worden, dass das jetzige Niveau schon nicht mehr akzeptabel, nicht mehr tragbar, nicht mehr enkeltauglich ist.

Die eigentliche Aufgabe ist also längst nicht mehr die Nachhaltigkeit. Die Aufgabe ist substanzielle Regeneration. Ein Zubau, ein Wiederaufbau von ökologischer und gesellschaftlicher Gesundheit muss geschehen. Damit echte Regeneration erreicht wird, müssen große, neue Kräfte in Aktion treten. Kapital muss in Bewegung und Menschen in neue Jobs in einer neuen Regenerations-Branche kommen. Gelebte Regeneration wäre ein überall sichtbares Großprojekt, eine offensichtliche Veränderung an jedem Ort.

Nachhaltige Trägheit

Nachhaltigkeit als Ziel löst dagegen eher eine passive Haltung aus. Nachhaltigkeit heißt für die meisten Menschen, sich einfach ein Stück zurück zu nehmen, mal ein bisschen weniger Fleisch zu essen, zu heizen oder nicht so weit in den Urlaub zu fahren.

Im Paradigma der Nachhaltigkeit zügelt der Konsument ein Stück weit seine Gelüste und mindert einsichtig seinen Komfort in der Erwartung, dass irgendwer da draußen in Wirtschaft, Forschung oder Politik anfängt, Mensch und Natur zu regenerieren. Man übt sich in Verzicht, bis jemand im Fernsehen bescheid gibt, dass man nun wieder guten Gewissens in den Urlaub fahren kann.

Grüße aus der Green Economy

Im Paradigma der Nachhaltigkeit steckt noch die zentrale Illusion der Green Economy. Sie lautet: „Wir können im Großen und Ganzen einfach so weitermachen wie bisher – wir müssen uns eben hier und da ein bisschen zügeln und auch mal etwas für die Umwelt tun“.

Wenn diese Illusion schließlich aufgegeben ist, wird der Blick frei auf den eigentlichen Umfang der gemeinsamen Aufgabe und wir denken und handeln im neuen Paradigma der Flux Economy und der Regeneration.

Regeneration - die eigentliche Aufgabe

Wenn wir plötzlich auf all unsere täglichen Handlungen schauen und uns fragen „wo geschieht durch mein Handeln aktive Regeneration?“, dann wird uns schnell klar, dass eine halb liebevolle und halb verschämte Einschränkung des persönlichen Konsums wenig bis gar nichts zur eigentlichen Aufgabe beitragen kann.

Wenn wir unsere Aufmerksamkeit vom Versuch der Schonung von längst heruntergewirtschafteten Ressourcen abziehen und ernsthaft überlegen, was zu tun wäre um all die natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen wieder aufzubauen und auf ein gesundes Niveau zu bringen, dann entsteht eine lange Liste voller Herkules-Aufgaben.

Nicht blinzeln

Genau hier liegt der Sweet Spot für die regenerative Innovation. Oft hilft eine Phase der Überforderung, um klarer zu sehen und seine Kräfte auf die richtigen Punkte zu lenken. Je mehr Menschen sich trauen, der Aufgabe der Regeneration ins Auge zu blicken ohne nervös zu werden, desto schneller werden wir erleben, dass es eben doch machbar ist.

Wir Menschen sind schlau genug, unsere Wirtschaft ist leistungsfähig genug und es sind genügend Ressourcen vorhanden um Regeneration zu einem zentralen Teil aller Wertschöpfung zu machen. Regenerative Unternehmensformen wie die regenerative Genossenschaft und die regenerative Bürgerstiftung sind Werkzeuge, die bereits heute von Menschen in ihrer Lebensumgebung genutzt werden können und die ständig weiter entwickelt werden.

Die Initiative, die Verantwortung und die professionelle Umsetzung dieser Aufgaben wird lokal und dezentral und aus eigenem Antrieb in den jeweiligen Regionen, Nachbarschaften und Dörfern passieren. Menschen werden sich selbst organisieren, beauftragen, finanzieren und ihre Regenerationsmethoden immer weiter optimieren.