Landwirtschaft: Auf die Krise folgt die Regeneration
Ein Beitrag von Aaron Bolte
5. Juli 2023
Wer aktuell mit Familien spricht, die die kleinen und mittleren Agrarbetriebe in Deutschland führen, der kommt nicht umhin, Betroffenheit und Verwunderung zu spüren. Betroffenheit, weil die Erschwernisse für Landwirte gerade aus so vielen Richtungen gleichzeitig kommen und Verwunderung wenn man begreift wie tapfer und still die meisten von ihnen mit der sich zuspitzenden Lage umgehen.
Ein Agrarbetrieb, der klassische Getreiden und Gemüsen, sowie Futtermittel für die Fleisch- und Milchproduktion erzeugt, steht in den letzten Jahren unter bisher ungekanntem Druck. Weizen, Mais, Kartoffeln & Co. müssen in der nötigen Qualität und Menge geerntet und zum gewohnt niedrigen Preis auf den Markt gebracht werden, sonst war alle Arbeit nichts wert und die Landwirte bleiben auf ihren Erzeugnissen sitzen.
Konventionelle Landwirte sind es grundsätzlich gewohnt, dass ohne Dünger keine verkäuflichen Ernten einzufahren sind. Doch die Böden sind nach Jahrzehnten der Bewirtschaftung mit synthetischem Mineraldünger immer nährstoffärmer und denaturierter geworden. Noch mehr Dünger müsste aufs Feld, um die Erträge hoch und den Betrieb über Wasser zu halten, doch das ist oft gar nicht mehr möglich.
Die Kosten für Düngemittel sind in den letzten Jahren drastisch angestiegen, teilweise über das Vierfache des zuletzt üblichen Preises. Das bedeutet für viele Landwirte, dass sie kaum noch kostendeckend arbeiten können. Löhne fallen aus, Schulden entstehen und Land muss verkauft werden.
Synthetischer Stickstoffdünger ist zwar für die Pflanzen verträglich und nahrhaft, doch er sickert mit dem Regen schnell in tiefere Bodenschichten und ins Grundwasser. Hier wirkt er toxisch. Aus Gründen des Gewässerschutzes gibt es deshalb Obergrenzen für die erlaubten Düngermengen.
Diese Obergrenzen liegen mittlerweile sehr tief (besonders in ausgewiesenen sogenannten „roten Gebieten“). So tief, dass unter Einhaltung der Obergrenze ganz einfach auszurechnen ist, dass oft keine Chance besteht, verkäufliche Ware anzubauen mit der der Agrarbetrieb sich tragen könnte. In den Niederlanden zwingt diese Situation gerade besonders viele Familien zur Aufgabe ihrer Höfe.
Entgegen der landläufigen Meinung sind konventionelle Landwirte grundsätzlich offen für ökologische und regenerative Alternativen. Nur müssten diese Methoden in Aufwand und Kosten niedrig genug sein, um die Ernten zum gewohnt niedrigen Preis anbieten zu können. 90% der Menschen zahlen keine hohen Bio-Preise, die höhere Aufwände und Kosten decken würden.
Permakultur, Terra Preta, Wurmkompost und so viele andere Methoden, die in kleinen Gärten, Gärtnereien und manchen Ökobetrieben hervorragend funktionieren sind für den konventionellen Markt einfach nicht rentabel. Erst recht nicht in der heutigen Situation. Eine Umstellung und ein Aufbau der Böden würde Jahre dauern und Investitionen und Ernteausfälle müssten finanziert werden. Doch bei der Bank gibt es dafür kein Geld und eine groß angelegte Querfinanzierung für die Umstellung von hunderttausenden Agrarbetrieben in Europa ist ebenfalls nicht in Sicht.
Doch was für ein Paradox es wäre, dass ausgerechnet eine so tragende Säule im Fundament unserer Zivilisation wie die Landwirtschaft plötzlich weg brechen würde und keine Lösung gefunden werden könnte. Alle Wertschöpfung nimmt schließlich hier in der Landwirtschaft ihren Anfang.
Der hohe Druck entfaltet auch eine positive Kraft. Im Angesicht der weiteren Zuspitzung stecken Landwirte und Agrarprofis an vielen Orten gerade die Köpfe zusammen und arbeiten an regenerativen Lösungen, die skalierbar und praktikabel sind.
Neben vereinfachten Methoden für regenerative Düngung und den Bodenaufbau entstehen auch skalierbare Modelle für die lokale Direktvermarktung in Bürgerkooperativen, durch die finanzielle Freiräume und Versorgungssicherheit für beide Seiten entstehen.
Hier liegt es auch an den Bürgern, diese Konzepte zu verstehen, als lokale Kunden daran teilzunehmen und über regenerative Bürgerstiftungen und Genossenschaften Kapital für den Aufbau dieser neuen Strukturen bereit zu stellen.
Wo könnte man heutzutage sinnvoller sein Geld anlegen als in Bodenaufbau und Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in der eigenen Nachbarschaft? Ein elementarer Bereich der regenerativen Kapitalanlage wird in Zukunft die Landwirtschaft sein.
Es beginnt ein spürbarer Umschwung. Auf allen Seiten besteht zunehmende Bereitschaft, die Gewohnheiten zu verändern und neu zu denken und zu handeln. Landwirte und Bürger erkennen immer deutlicher, dass es jetzt an ihnen liegt, die Zukunft in die Hand zu nehmen und nicht länger auf eine Lösung zu warten, die von irgendwoher fertig serviert wird.